Konzert 12. Oktober 2025

Konzert
Johannes Brahms

Ein Deutsches Requiem, op. 45
Katholische Pfarrkirche St. Josef, Moers
Sonntag, 12.10. 2025, 18 Uhr

Am Sonntag, 12. Oktober 2025 wird der Kammerchor Rheinland „Cantare et Sonare“ (künstlerische Leitung: Willem Winschuh) in der Pfarrkirche St. Josef Moers um 18 Uhr Ein deutsches Requiem (op. 45) von Johannes Brahms zur Aufführung bringen.

Mit dem chorsinfonischen Werk „Ein deutsches Requiem“ erleben Sie eine der ganz großen Kompositionen der Chorliteratur, die Johannes Brahms als Komponisten international berühmt gemacht hat.
Weltweit erfreut sich die hochemotionale und als Schlüsselwerk geltende Komposition „Ein Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms höchster Beliebtheit.
Die in diesem Konzert zu hörende  sog. „Londoner Fassung“ für Soli, Chor und Klavier basiert auf einer eigenhändigen Version zu vier Händen von Brahms selbst.

Die Ausführenden sind:
Mirjam Hardenberg (Sopran), Leo Bögeholz-Gründer (Bariton)
Isabel von Jakubowski und Bruno Metzdorf, Klavier
Kammerchor Rheinland “Cantare et Sonare“
Willem Winschuh, künstlerische Leitung

Musik von Trost und Trauer (Zum „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms)
von Meinrad Walter

„Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms (1833 – 1897) ist ein ebenso erfolgreiches wie in vielen Aspekten rätselhaftes Werk. Bereits der vom Komponisten stammende Titel wirft Fragen auf.
Ein „Requiem“ als protestantischer Gegenentwurf zur katholischen Totenmesse? Wohl kaum, denn das „deutsch“ verweist zunächst nur auf den Wortlaut der vom Komponisten selbst ausgewählten Bibelverse nach Martin Luthers deutscher Übersetzung der Heiligen Schrift, die seit dem 16. Jahrhundert die protestantisch- bürgerliche Kultur prägt. Brahms besaß mehrere Luther- Bibeln und auch eine Konkordanz, mit der er intensiv gearbeitet hat. Also ließe sich das Deutsche Requiem deuten als protestantische Spielart der katholischen Totenmesse, geschrieben von einem norddeutschen Lutheraner?
Doch so einfach ist es nicht. Die im Werk sich zeigende Frömmigkeit des Komponisten ist nämlich kaum noch lutherisch zu nennen. Sie ist vielmehr geprägt von kritisch- säkularisierter Religiosität: bibelfest zwar, doch nicht mehr kirchentreu. Mit dem Wort Requiem leiht Brahms sich gleichsam eine Gattungs- Überschrift aus der Liturgie. Das ist übrigens kein einzelnes Phänomen. Auch zahlreiche Gedichte mit der Überschrift „Requiem“ sind in jener Zeit zu verzeichnen, in der das Requiem überdies, wie die Messe insgesamt, aus der Liturgie in den Konzertsaal wanderte, um dort große Triumphe zu feiern. Denken wir nur an Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“.
Brahms steuert zur Gattung des Requiems ein höchst eigenständiges Werk bei, das sich einer Fixierung im Sinne der Tradition letztlich entzieht: kein eigentliches Requiem, aber auch kein Oratorium; eher eine Art paraliturgische Chorsinfonie in sieben Sätzen.

Die Entstehungsgeschichte ist geradezu vertrackt mit etlichen Fassungen und Einrichtungen, Teilaufführungen in Wien (1867) und Bremen (1868) und schließlich der Erstaufführung in endgültiger Werkgestalt im Jahr 1869 in Leipzig. Im selben Jahr gab es zudem Aufführungen in einem Dutzend weiterer deutscher Städte sowie in Basel und Zürich. Utrecht und St. Petersburg folgten 1872.

Aber wir sehen es positiv: All dies ermöglicht einen einzigartigen Einblick in die kompositorische Werkstatt von Johannes Brahms. Wie durch verschiedene Fenster lässt sich beobachten, wie sich aus einem „work in progress“ zum einen die „Fassung letzter Hand“ gleichsam herauskristallisiert und wie sich zum anderen eine Reihe von Aufführungsmöglichkeiten ohne Orchester eröffnen, die man weniger als Fassung, sondern wohl eher als Einrichtung oder Arrangement bezeichnen kann. Eines dieser Fenster zeigt uns, wenn wir es öffnen, die hier aufgeführte Londoner Version mit der von Brahms stammenden vierhändigen Klavierbegleitung.

Dass das Klavier bei der Einführung und Vermittlung sinfonischer und oratorischer Musik eine Hauptrolle spielt, war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ganz selbstverständlich. Brahms hat das am Beispiel seines vierhändigen Klavierarrangements zum Deutschen Requiem in einem Brief an seinen Verleger Rieter- Biedermann mit köstlichen Worten so kommentiert: „Ich habe mich der edlen Beschäftigung hingegeben, mein unsterbliches Werk auch für die 4händige Seele genießbar zu machen.Jetzt kann´s nicht untergehen.“

Bereits im April 1865 schickt er Clara Schumann den Satz „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ in einem „flüchtigen Klavierauszug“, damit sie sich ein Bild davon machen kann. Sie schrieb dazu in ihr Tagebuch: „Mich hat dieses Requiem ergriffen, wie noch nie eine Kirchenmusik.“ Später wird sie nach dem Erleben der Orchesterfassung notieren: „Ich musste immer wieder, wie ich Johannes da stehen sah mit dem Stab in der Hand, an meines teuren Robert Prophezeiung denken, ´lass den mal den Zauberstab ergreifen und mit Chor und Orchester wirken´- welche sich heute erfüllte. Der Stab wurde wirklich zum Zauberstab und bezwang alle – selbst seine Feinde.“

Dieses „Requiem“ ist ein überaus persönliches Werk. Durchlebte Trauer steht im Hintergrund: nach dem Tod Robert Schumanns (1856) und der Mutter des Komponisten (1865) . Die bereits zitierte Clara Schumann trifft den Ton des Werkes genau, wenn sie es „ein wahrhaft menschliches Requiem“ nennt. War es doch das schonungslos Menschliche und eben nicht das Christliche, was Brahms an der Bibel so fasziniert hat. Dies verhindert nicht, dass traditionelle Momente christlich- liturgischer Trauermusik wie Zitate anklingen: die Posaune des jüngsten Gerichts etwa im sechsten Satz oder die – wenn auch gebrochenen -Traditionen von Totentanz und Trauermarsch im zweiten. Dass die Wirkung des zweiten Satzes bei der Uraufführung durch die orchestralen „Paukenwüterich“ geschmälert wurde, überliefert ein Kritiker. Das Requiem ist überdies ein dramatisches Werk, weil es, ganz im Sinne einer musikalischen Trauerarbeit, den Weg von der Trauer zum Trost geht und somit den Prozess der Trauer quasi inszeniert. Das wiederum relativiert „das Deutsche“, wie Brahms selbst in einem Brief an den Bremer Domorganisten Karl Reinthaler bemerkt: „Was den Text betrifft, will ich bekennen, dass ich recht gern auch das ´Deutsch´ fortließe und einfach den ´Menschen´ setzte.“

Vorausgegangen war diesem Brief eine Kontroverse um die Rechtgläubigkeit von Werk und Komponist. Der bereits genannte Bremer Dirigent und Musikdirektor Karl Reinthaler (1822 – 1896) – er leitete die dortige Uraufführung 1868, noch ohne Satz V, aber mit G. F. Händels Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“ aus dessen Messias – hatte das Fehlen des Erlösertodes Christi im „Deutschen Requiem“ moniert. Zugleich wollte er Brahms wohl eine goldene Brücke bauen, indem er ihm anhand des letzten Satzes eine verborgene Christlichkeit nahelegte. Das Bibelwort aus der Geheimen Offenbarung „Selig sind die Toten von nun an“ könne doch nur heißen „von Christus an“. Brahms jedoch entschuldigt sich keineswegs für das Fehlen des Erlösers Jesus Christus, sondern bekennt, dass er „auch mit allem Wissen und Willen Stellen wie z. B. Evang. Joh. Kap 3 Vers 16 [Also hat Gott die Welt geliebt,…] entbehrte.“ Eine höchst freiwillige, vielleicht aber dennoch mit einer gewissen Verlusterfahrung verbundene Entbehrung?

Die Bibel ist für Brahms nicht göttliche Offenbarung, sondern ein Menschheitsdokument, verfasst von „ehrwürdigen Dichtern“, dessen Gestalt es aus künstlerischen, weniger aus religiösen Gründen zu respektieren gilt. Und schließlich kann er den biblischen Dichtern ja eine eine Formulierung wie „von nun an“ nicht mehr „abdisputieren“. Im Übrigen, schreibt er, habe er aus dem Fundus der Bibel „manches genommen, weil ich es als Musiker brauchte.“ Diese Bemerkung ist nichts Anderes als ein Bekenntnis zur Gattungstradition des Oratoriums, in dessen Textgestalt und -gehalt es darauf ankommt, dass die Worte zur einen biblisch inspiriert sind, zum anderen aber musikalisch inspirierend: in Bildern und Affekten, in der Balance von Dramatik und Kontemplation.

An die Stelle normativer oder liturgisch vorgegebener Texte tritt also bei Brahms – und das ist ein neuer Akzent in der geistlichen Musik – die persönliche Auswahl. Bereits die Zusammenstellung des Textes in sieben Sätzen ist eine Art Komposition mit stringenter Architektur. Gerahmt wird sie von zwei Seligpreisungen: „Selig sind, die da Leid tragen“ (I) und „Selig sind die Toten“ (VII). Die Rahmensätze sind zudem auch musikalisch- motivisch aufeinander bezogen. Einem symmetrischen Aufbau unterliegen aber auch die weiteren Sätze. So entspricht dem zweiten Satz „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ der vorletzte „Denn wir haben hie keine bleibende Statt“ (VI): Beide Male ist die Überwindung des Todes das Thema, zunächst im Modus der Verheißung, dann gesteigert als Erfüllung. Im zweiten Satz klingen zudem zwei Lieder an, in denen die Ambivalenz des Menschen im Angesicht des Todes zum Ausdruck kommt: „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“ und „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Der vorletzte Satz schließt mit einer die Majestät Gottes preisenden Fuge im alten Stil. Eine Analyse der Unterstreichungen in Brahms´ Bibel hat ergeben, dass die unermessliche Größe Gottes ein Hauptmotiv seiner Gläubigkeit war. Ihr steht die Bedürftigkeit des Menschen gegenüber, deren Ernstfall die Todesverfallenheit ist.

Der dritte Satz mit Bariton- Solo ist eine ergreifende Klage, deren Hoffnungsaspekt in eine Fuge „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“ über einem unerschütterlichen Orgelpunkt mündet. Den vom Solo des Soprans geprägten fünften Satz „Ihr habt nun Traurigkeit“ hat Brahms erst nach der Bremer Uraufführung komponiert, und zwar in Hamburg im Frühjahr 1868. So führt er die Traurigkeit in tröstlicher Zwiesprache zwischen Sopran- Solo und Chor zur Freude, ausgehend vom vertraut- intimen Bild „wie einen seine Mutter tröstet“. Trost wird somit nicht „abstrakt“ komponiert, in Musik gesetzt wird vielmehr der Vorgang des Tröstens, so dass das Solo zum Zuspruch wird. Höhepunkt dieses Satzes ist die in dialogische Gesten zwischen Solo und Chor „übersetzte“ Hoffnung auf ein „Wiedersehen“. Dieses Wiedersehens- Motiv findet sich auch auf vielen Grabsteinen, denn es wurde – unter Ausblendung anderer Aspekte wie des Jüngsten Gerichts – ein Hauptthema der Sterbekunst im 19. Jahrhundert.

Durch die nachträgliche Einfügung des fünften Satzes steht nun ein Klangbild der ewigen Freude als vierter Satz im Zentrum des gesamten Werkes. Die Worte „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ stammen aus Psalm 84. Eine vom Gestus der Pastorale inspirierte und fast zeitlos sich ausschwingende Musik wird zum Sinnbild der Hoffnung auf ewig- himmlische Freude. Deren endgültige Gegenwart – „die loben dich immerdar“ – klingt in der Musik bereits gültig an, was den traditionellen Gedanken der Musik als „praeludium vitae aeternae“ ins Spiel bringt. Zudem verbirgt sich hier eine dritte Seligpreisung in den Worten „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen“.

Das Brahms- Requiem ist ein an Facetten reiches Werk, angesiedelt zwischen Gläubigkeit und Skepsis. Die Säkularisierung der Religion spiegelt sich in ihm ebenso wie die Sakralisierung der Musik. Die orchestrale Farbigkeit gehört ebenso dazu wie die in dieser Aufführung realisierte Möglichkeit einer durch die Klavierbegleitung besonders durchhörbaren Version. Im spirituellen Zentrum steht der trauernde und Trost suchende Mensch, wie er erkennbar wird in Worten und Gesten der Bibel. Wie alle großen Werke der musikalischen Weltliteratur jedoch legt auch diese Komposition die Interpreten und Hörer nicht auf eine einzige Deutung fest. Vielmehr öffnet sich ein spannungsvoller Raum des Assoziierens und persönlichen Sich- Einfindens im Werk. Seine Pole heißen etwa: biblische Botschaft und bürgerliche Totenfeier; Musik als autonome Kunst und als Textdeutung; schließlich das Ernstnehmen des Irdischen und die unstillbare Sehnsucht nach Transzendenz. Letztlich ist das um Trauer und Tod kreisende Werk große Musik und klingende Theologie zugleich, wie auch der Komponist in einem Brief an Elisabeth von Herzogenberg vom 8. August 1882 bemerkt: „Den Theologen kann ich nicht los werden.“

Meinrad Walter, Dr. theol.
Studium der Theologie und Musikwissenschaft in Freiburg i. Br. und München
Tätigkeiten im universitären Bereich sowie in Journalismus und Verlagswesen
Referent für Kirchenmusik der Erzdiözese Freiburgseit 2012
außerdem Professor für Theologie und Liturgik an der Musikhochschule Freiburg

Die theologische Eigenart des Deutschen Requiems von Johannes Brahms, op 45
von Reinald Rüsing

Das Werk zielt nicht ab auf eine Zerknirschung des Herzens, wie man es von einer Totenmesse erwarten könnte. Vielmehr kann und will das Werk trösten.
Der erste Chor beginnt mit einer Seligpreisung Jesu aus der Bergpredigt, und der letzte Chor nimmt die Seligpreisung auf, diesmal aus der Offenbarung des Johannes.
In der Mitte des Werks im vierten Chor dürfen sich Leib und Seele freuen, da sie sich sehnen nach einem ewigen Leben in der Gegenwart Gottes. Ein besonderer Akzent liegt auf der Rede von „den Vorhöfen des Herrn“. Der Vorhof des Tempels war der am leichtesten zugängliche Teil des Tempels und deutet im Werk Brahms auf den leichten Zugang zur Gegenwart des ewigen Gottes.
So darf sich das unter seiner Sterblichkeit seufzende Gemüt des Menschen durch das gewaltige Opus Brahms mit tiefem Trost erfüllen lassen.
Zur Exegese:
Mt 5,4 Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Jesus Zitat aus der Bergpredigt. Der Berg steht traditionell für Nähe und Offenbarung Gottes. Das besagt, dass Jesus in göttlicher Vollmacht redet. Die Seligpreisungen sind Heilsworte, die den Adressaten die Teilhabe am Himmelreich zusagen, wozu auch die Tröstung der Trauernden gehört.
Psalm 126, 5. 6. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.
Die Gegenwart (Tränen, weinen) wird mit der von Gott geschenkten neuen Wirklichkeit verbunden (ernten, Garben). Hier ergeht keine Aufforderung. Vielmehr wird der rechte Weg geschildert. Säen, wenn auch unter Tränen, den guten Saatbeutel tragen. Die Saat wird aufgehen und Freude bescheren.
Psalm 39,5-8 Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss. Siehe, meine Tage sind eine Hand breit vor dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Sie gehen dahin wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe. Sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird. Nun, Herr, wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.
Mit seiner Bitte von V 5 sucht der Beter Bestätigung für das, was er eigentlich weiß, dass seinen Lebenszeit begrenzt ist. Trost findet er darin, dass er auf seinen Gott hofft.
Psalm 84, 2.3.5 Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen, die loben dich immerdar.
Es handelt sich hier um einen Wallfahrts- und Pilgerpsalm, ein Sehnsuchtsgedicht und -gebet, das seinen Ausgangspunkt fernab vom Jerusalemer Tempel hat und den Weg dorthin innerlich und wohl auch äußerlich abschreitet. Der Abschnitt schließt mit einer Seligpreisung an diejenigen, denen die Gunst der Nähe zum Gotteshaus gewährt wird.